Geschichte Thunstetten

Unsere beide Dörfer sind sehr alt. Da gibt es zum Beispiel Keltengräber aus einer Zeit von 600 bis 400 vor Christus. Entdecken Sie die Stätten der Vergangenheit auf einem Spaziergang durch die Gemeinde.

Thunstetten
Die Bedeutung des Namens Thunstetten ist nicht ganz geklärt. Über –stetten ist man sich zwar einig. Es bezeichnet eine Stätte, einen Ort. Aber was ist mit Thun-? Darüber streiten sich die Gelehrten. Man deutet etwa Tung – in alten Urkunden wird Thunstetten auch als Tungstetten geschrieben – als „Bodenerhebung im Sumpfgebiet“. Thunstetten könnte also etwa „Stätte auf einem Hügel“ heissen. Warum eigentlich nicht? Der Hügel ist da, und auch mit Sumpfgebieten können wir dienen, etwa dem Sängeliweiher.

Zwei geschichtliche Ereignisse müssen die Thunstetter seinerzeit aus ihrer Ruhe und ihrem ländlichen Frieden aufgeschreckt und das Dorf in der Folge geprägt haben: Die Gründung der Johanniterkomturei und der Bau des Schlosses.

Sie erinnern sich aus der Geschichtslehre: Zu Beginn des letzten Jahrtausends haben westliche Heere versucht, das Heilige Land für das Christentum zurückzuerobern. Dabei spielte der geistliche Ritterorden der Johanniter eine bedeutende Rolle. Neben dem Kampf gegen die „Ungläubigen“ führte dieser Orden in Jerusalem eine Herberge, in der müde Kreuzfahrer und Pilger Obdach, Speis und Trank erhielten. Aber das kostete Geld. Deshalb wurden in ganz Europa rückwärtige Ordensstützpunkte errichtet. Sie hatten den Auftrag, die nötigen Finanzen für den Krieg und das Sozialwerk im Heiligen Land zu beschaffen. Es floss viel Geld nach Jerusalem, auch von Thunstetten. Man konnte sich nämlich mit einer guten Gabe einen zukünftigen Platz im Himmel sichern. So einfach war das, damals. Nebenbei bemerkt, scheiterten die Kreuzzüge kläglich.

In Thunstetten entstand gleichzeitig mit dem Komtureigebäude, dieses dient heute übrigens als Pfarrhaus, die Kirche. Und weil die Langenthaler damals noch keine hatten, mussten sie ebenfalls da oben antreten. Wohlverstanden: mussten! – Strenge Bräuche, jahrhundertelang! Mit der Reformation wurde die Komturei Thunstetten 1528 aufgehoben und ihr Besitz ging an den Staat Bern über.

Dann kam Hieronymus von Erlach, Sohn aus berühmtem Berner Patriziergeschlecht. Er diente als junger Offizier in Südfrankreich, stand im Spanischen Erbfolgekrieg als Feldmarschall im Solde Österreichs und war gleichzeitig dem französischen Geheimdienst verpflichtet. Er war Landvogt von Aarwangen, Mitglied der Regierung und schliesslich Schultheiss von Stadt und Republik Bern, militärisch und politisch ein Senkrechtstarter, aber skandalös-grandios...

1713 – 1715 baut Hieronymus von Erlach das Schloss Thunstetten nach Plänen des französischen Stararchitekten Abeille: Stil Ludwig XIV, ein Hauch von Versailles im Oberaargau. Hinter diesen Mauern wurde während Jahrzehnten bernische, eidgenössische und auch europäische Politik gemacht.

Nach dem Tod Erlachs ging das Schloss durch verschiedene Hände und blieb dann mehr als hundert Jahre im Besitz der Familie Le Grand. Diese verkaufte es 1970 und seither gibt es eine Stiftung Schloss Thunstetten. Der ehemalige Patriziersitz wurde zu einer Stätte der Begegnung im Oberaargau.

Nach Hieronymus von Erlach wurde es stiller in Thunstetten. Man arbeitet fleissig auf den Höfen, die alte Dreifelderwirtschaft verschwand, die Kartoffel kam, und mit ihr ein bescheidener Wohlstand. Winters klapperten die Webstühle, der Leinwandhandel kam auf und zwischen Schloss und Kirche entstand die Schule, alles vielleicht etwas abseits, dafür friedlich, fast gar verträumt.


Bützberg
Gegen so viele Prominenz in Thunstetten kamen die Bützberger nicht auf. Da hiess es katzbuckeln vor den schwarzbemäntelten Johannitern, deren Ordenskreuz später zum Gemeindewappen abgewandelt wurde; da hiess es katzbuckeln vor dem Schlossherrn Hieronymus von Erlach, wenn er sechsspännig durchs Dorf fuhr; da hiess es gar katzbuckeln vor dem Pfarrer. Die Entscheidungen wurden stets in Thunstetten getroffen, in Bützberg hatte man lange Zeit nichts zu sagen.

Auch über den Namen Bützberg sind sich die Forscher nicht ganz einig. Zwei Möglichkeiten bieten sich an: Im Wort Bützberg (1249 Buceberch geschrieben) steckt das aus dem Lateinischen stammende putza, buzza, puzzi, was Brunnen, Quelle, heisst. Buceberch/Bützberg wäre demnach „der Brunnenberg“. Besser untermauert scheint die Ableitung vom Personennamen Buzo. Aus Buceberch/Buzzinberch sei über Büzenberg/Büzeberg das heutige Bützberg entstanden und bedeute „Berg des Buzo“. Wählen Sie ruhig Ihre Variante der Geschichte.

Auch wenn die Bützberger lange Zeit in der Gemeinde nichts zu sagen hatten, so können sie doch auf die Trockenlegung ihres Riedsees, und damit auf die erste Melioration im Oberaargau hinweisen. Der Riedsee lag westlich vom Dorf, gegen das heutige Weissenried zu. Und hier hatten die Bützberger zur Zeit des Landvogtes Willading in harter Fronarbeit Gräben zu schaufeln, Dünkel zu legen und das Wasser abzuleiten in einen grossen Graben hinunter zur Aare. Spazieren Sie doch einmal zur Riedseebrücke im Welschlandwald. Dort können Sie den mächtigen Graben noch heute sehen. Aber seien Sie vorsichtig. Der Landvogt liess sich seinerzeit zu einer Gotteslästerung hinreissen und wurde dann vom Blitz erschlagen. Nach der Sage fand seine Seele deshalb keine Ruhe. Willading geht seither in Gewitternächten im Riedsee um, auf seinem Schimmel, mit seiner Meute. Und wehe, wer ihm begegnet.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts hat die bernische Regierung die Bern-Zürich-Strasse neu geplant und den damaligen Verkehrsverhältnissen angepasst. Entgegen den Bestrebungen der Langenthaler wurde sie von Herzogenbuchsee nicht über Thunstetten und dann durch ihr Dorf, sondern direkt über Bützberg nach Murgenthal geführt.

Mit der neuen Strasse kamen die Bützberger zu den Leuten oder eigentlich umgekehrt, die Leute kamen zu den Bützbergern. So etwa 1848, als die Postkutsche, in der die ersten Nationalräte des Kantons Aargau zur Eröffnung der neuen Bundesversammlung nach Bern reisten, zwischen Langenthal und Bützberg im Nebel vom Weg abkam und in einem frisch gepflügten Acker stecken blieb. Nach dem die Landesväter umsonst in die Speichen gegriffen hatten, marschierten sie zu Fuss .... ins Wirtshaus nach Bützberg.

Eine stürmische Entwicklung brachte die Strasse aber Bützberg vorerst nicht. Noch am Ende des 18. Jahrhunderts verteilten sich die 160 Häuser der damaligen Gemeinde gleichmässig auf die beiden Dörfer. Dann kam 1857 die Eisenbahn, und mit ihr einiger Ärger. Da war zunächst die Sache mit der Station am unteren Kirchweg. Station ist zwar übertrieben. Es gab da jahrelang keine rechte Zufahrt, kein Gebäude, nicht einmal eine Wartebank. Dazu kam, dass die Züge in Richtung Herzogenbuchsee nach ihrem Halt in Bützberg oft nicht mehr anfahren konnten, weil das Gelände leicht anstieg. In der Folge führte man die Züge einfach langsam vorbei, warf den Postsack hinaus, und wer aussteigen wollte, der tat das auf eigene Verantwortung. Die Direktion der Bundesbahnen erwog ernsthaft, die Haltestelle aufzuheben. Schliesslich wurde die Station verlegt, in flacheres Gelände, und die Bützberger hatten die Zufahrtsstrasse zu erstellen, für teures Geld und zähneknirschend. Nun hatte man eine richtige Station und die Züge hielten fortan fahrplanmässig. Rentiert hat der Betrieb aber offenbar nie. So hat man die Station nach mehr als hundert Jahren, trotz heftigem Widerstand der Gemeinde, stufenweise wegrationalisiert. Heute fahren die Bützberger und Thunstetter mit dem Bus zum Bahnhof Langenthal oder Herzogenbuchsee.

Dies ist die Schilderung der Gemeindegeschichte aus historischer Sicht, dargestellt von Herr Ernst Troesch († 1995), Langenthal.


Bahn 2000
Als Schritt in die Zukunft wurde die Bahn 2000 der Bevölkerung angepriesen. Mit ihr rücken alle Landesteile näher zusammen. Teilstück des Vorhabens ist die 45 km lange Strecke zwischen Mattstetten und Rothrist. Sie bildet das Rückgrat im schweizerischen Schienennetz. Keine Bahnhöfe, keine Weichen stören auf dieser Strecke, die mit Tempo um die 200 km/h befahren werden kann.

Nach dem Gishübeltunnel bei Herzogenbuchsee führt die Linie schnurgerade vor den 887m langen Tunnel Thunstetten. Nach dem Tunnel, unmittelbar beim Tannwäldli, verlässt die Stammlinie das gemeinsame Trassee und führt zum Bahnhof Langenthal. Die bestehende Strecke über Bützberg wurde abgebrochen und das Industriegelände wird künftig ab dem Güterbahnhof Langenthal versorgt.

Hohe Wellen warf die Linienführung in unserer Gemeinde. Mit Mahnfeuern und weiteren Aktionen wurde für die Variante „Muniberg“ gekämpft. Am Schluss mussten die Befürworter des Munibergtunnels zur Kenntnis nehmen, dass die Kosten als zu teuer befunden wurden und die Variante mit dem Lärmschutztunnel zwischen den Dörfern den Vorzug erhielt.

Die Bauarbeiten sind abgeschlossen. Die Züge fahren seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2004 auf den neuen Schienen.

Trotz anfänglicher Skepsis gegen die Bahn 2000 fällt das Fazit positiv aus. Die Gemeinde wurde durch die neue Linienführung aufgewertet.